Leseproben

 

Andreas Mohn

Der Blick auf eine
kooperative Daseinswelt

Bioethische Konzeptionen

ISBN 3-8267-5223-6

 

Ist ein langer Tag gewesen

Sie wissen ja schon, es gibt so einiges zu erzählen, vor allen Dingen unterhalten sich die Leute immer, wie das Wetter ist. Das tun sie so in Amerika. Das ist ein bisschen weit entfernt, deshalb ist es auch nicht so leicht, da immer darüber zu reden. Aber ich kann Ihnen folgendes erzählen:

Es gibt Menschen, die hassen sich. Es ist eigentlich nicht schön, dass man sich hasst, aber manche Menschen tun das. Ich weiß nicht, warum sie das tun, aber sie tun immer so, als wäre das so etwas wie eine Notwendigkeit. Tja, ich weiß nicht genau warum, aber anscheinend machen die Leute das so.

Aber eigentlich wollte ich Ihnen eine nette Geschichte erzählen. Wissen Sie, man quatscht da so. Und wenn man so quatscht, da hat man so einiges zu erzählen. Also, ich rede ziemlich viel über die Arbeitsmarktpolitik und auch über ein paar andere Themen, zum Beispiel darüber, was ich so in der Kunst mache. Da erzähle ich dann immer, dass ich gerne male, vor allem impressionistische Bilder. Aber es ist nicht leicht, immer die Zeit zu finden, um sich in die Natur zu setzen oder ein Porträt direkt zu malen. Es ist schön, wenn man das kann, es ist besonders schön, weil es viel Spaß macht. Und es macht viel Spaß so etwas zu tun. Es ist schön, die Geste zu sehen und dann das, was auf dem Bild entsteht. Manchmal malt man nur noch Visionen auf das Papier und das ist dann impressionistisch und vielleicht mit einem etwas expressiven Einschlag. Apropos Impessionen, da gab es große Künstler. Ich kenne eigentlich nicht viele, vielleicht Monet und ein paar andere. Vielleicht, nein sicherlich auch ein paar unbekannte Straßenkünstler, die das können. Es ist schön, wenn man sich in die Natur setzt und ein Stück Landschaft malt. Dann hat man die Landschaft irgendwie so aus dem unmittelbaren Erleben heraus gemalt und steht zu dem Bild. Das ist toll...

 

Eine unwahrscheinliche Sage

Das Wetter war schön, die Stimmung war wunderschön! Die Menschen liebten einander! Die Welt war voller Hoffnung! Da gab es Menschen, die lachten! Da gab es Menschen, die in Cafés saßen! Da gab es Menschen, die Kunst praktizierten. Es gab Menschen, die malten, es gab Menschen, die musizierten auf Klarinetten, auf Oboen, die sangen und modernes Schlagzeug spielten. Es gab Leute, die sich freuten, Zeitung lesen zu können mit anderen zusammen. Es gab viele freundliche Menschen. Die Welt war so wunderschön! Denn, man hatte sich gefunden. Man hatte die Gesetze der Erde verstanden und ein liebenswertes Zusammenleben gefunden. Entgegen dem Trend der Zukunft, nur Technisches zu preisen, gab es nicht mehr diese Hektik, die das Leben zur Zeit der Industrialisierung in sich barg. Es gab nicht mehr diese Depressionen, die daher rührten, dass man nicht wusste, wo man zuerst den Fortschritt suchen sollte. Denn man hatte verstanden, dass die Zukunft nichts Besseres versprach. Man hatte verstanden, dass man die Welt, in der man lebte, nicht verbessern konnte. Deshalb hatte man sich gefunden. Deshalb hatte man Liebe zueinander gefunden. Man war nicht mehr auf der Suche nach etwas Besserem, um sich selbst zu verlieren. Man konnte die Welt einfach annehmen. Man konnte Geschichte annehmen. Denn es gab nichts Besseres. Es gab nichts Besseres als das Dasein. Man konnte sterben, lachen, lieben, schweigen. Man konnte froh sein, man konnte surfen, man konnte segeln, man konnte einsam sein, man konnte Analphabet sein, man konnte Legasteniker sein, man konnte schwach und hässlich sein. Man konnte einfach sein wie man wollte. Man konnte vieles. Man konnte sehr vieles. Man brauchte aber nicht mehr vieles. Man brauchte nicht mehr sehr vieles. Man hatte verstanden, dass die Welt des Besseren eine Illusion war, auf der die meisten auf der Strecke blieben.